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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 27.09.2007
Aktenzeichen: 23 W 182/07
Rechtsgebiete: ZPO, RVG, RVG-VV
Vorschriften:
ZPO § 91 | |
ZPO § 104 | |
RVG § 72 Abs. 2 S. 1 Anl. 1 Teil 3 | |
RVG-VV Vorbemerkung 3 Abs. 4 | |
RVG-VV Nr. 2300 |
Tenor:
Die sofortige Beschwerde wird kostenpflichtig nach einem Gegenstandswert bis zu 300 EUR zurückgewiesen.
Gründe:
Die zulässige sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die im Ausgangsrechtsstreit für den Prozessbevollmächtigten der Klägerin nach 3100 VV RVG angefallene Verfahrensgebühr ist zu Recht mit 1,3 in die Kostenausgleichung der Parteien einbezogen worden.
Eine Minderung dieser Gebühr infolge Anrechnung der nach VV 2400 RVG bereits vorprozessual verdienten Geschäftsgebühr des Anwalts des Klägers ist zu Recht abgelehnt worden.
Die Anrechnungsregelung in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 VV RVG dient ausschließlich dazu, das Gebührenaufkommen des Rechtsanwalts, der sowohl vorprozessual aus auch im anschließenden Rechtsstreit in derselben Sache tätig wird, zu beschränken. Dadurch soll das Interesse des Anwalts an einer außergerichtlichen Einigung gefördert werden (vgl. Gesetzentwurf zur Modernisierung des Kostenrechts, BT-Dr 15/1971, S. 209).
Betroffen hiervon ist zunächst nur das Verhältnis des Anwalts zu seinem Mandanten (KG, Beschluss v. 17.07.2007, AGS 2007, 439 - 441 mit Anm. von Schneider; Schneider, NJW 2007, 2001, 2006; Hansens, RVGreport 2006, 311; 2007, 121, 122;). Gegenüber dem kostenpflichtigen Gegner führt sie jedoch nicht automatisch zu einer Kürzung der zu erstattenden Verfahrensgebühr. Seine Erstattungspflicht richtet sich ausschließlich nach § 91 ZPO. Danach hat er die prozessnotwendigen Kosten zu tragen. Die im Rechtsstreit auf Seiten des Gegners angefallene Verfahrensgebühr ist als Teil dieser Kosten von ihm daher grundsätzlich in voller Höhe zu erstatten.
Die vorprozessual angefallene Geschäftsgebühr gehört demgegenüber nicht zu den Prozesskosten im Sinne des § 91 ZPO und kann daher grundsätzlich nicht gemäß § 103 ZPO im vereinfachten Kostenfestsetzungsverfahren festgesetzt werden. Schon deshalb verbietet sich eine zwingende Anrechnung auf die Verfahrensgebühr im Verhältnis zum kostenpflichtigen Prozessgegner. Andernfalls würde dieser allein auf Grund der Tatsache, dass der gegnerische Anwalt schon vorgerichtlich das Geschäft seines Mandanten in dieser Angelegenheit betrieben hat, in gemindertem Umfang auf die tatsächlich angefallenen Prozesskosten haften, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund besteht (a.A. für das Verwaltungsgerichtsverfahren vgl. VGH Kassel, NJW 2006, 1992 und VGH München, NJW 2006, 1990; s. auch KG a.a.O.).
Etwas anderes gilt, wenn der Kostenschuldner aus materiell-rechtlicher Schadensersatzpflicht dem obsiegenden Prozessgegner auf Erstattung der Geschäftsgebühr haftet. Dann greift der Normzweck der Anrechnungsbestimmung in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 VV RVG auch zu seinen Gunsten. Als materiell-rechtlicher Einwand ist die Schadensersatzpflicht aber nur dann zu beachten, wenn die Verpflichtung für die Kostenfestsetzungsorgane überprüfbar feststeht. Das ist zu bejahen, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen der Schadensersatzpflicht unstreitig sind oder vom Rechtspfleger bzw. der Rechtspflegerin ohne Schwierigkeiten aus den Akten ermittelt werden können (vgl. BGH, NJW-RR 2007, 422, 423), weil z.B. die Geschäftsgebühr in voller Höhe tituliert oder unbestritten schon beglichen wurde (vgl. KG a.a.O).
Die tragenden Gründe der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 07.03.2007 (NJW 2007, 2049-2050 = MDR 2007, 984) sowie im Urteil vom 14.03.2007 (Az. VIII ZR 184/06, veröffentlicht bei juris) stehen nicht entgegen. In beiden Fällen war der klagenden Partei die vorprozessual angefallene Geschäftsgebühr in vollem Umfang als Teil der Klageforderung zugesprochen worden. Bei dieser Konstellation entspricht es den obern dargestellten Grundsätzen, die volle Geschäftsgebühr durch Anrechnung auf die Verfahrensgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen (so auch KG a.a.O.).
Da hier die Geschäftsgebühr des Prozessbevollmächtigten des Klägers weder tituliert noch bezahlt oder die tatsächlichen Voraussetzungen einer materiell-rechtlichen Ersatzpflicht der Beklagten unstreitig sind oder sich zweifelsfrei anhand des Akteninhalts ergeben, bleibt es beim Ansatz der vollen 1,3 Verfahrensgebühr zu Gunsten der Klägerin.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO; die Wertfestsetzung entspricht dem Abänderungsinteresse.
Ende der Entscheidung
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